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Abenteuer Pubertät – Wie sich Körper und Gehirn verändern

Donnerstag, 16. August 2018 bis Freitag, 31. August 2018

Manchmal kann man sich ganz vernünftig mit ihnen unterhalten – dann sind sie mit einem Mal wie ausgewechselt: pubertierende Jugendliche. Sie sind launisch, unberechenbar und unvernünftig. Ein Wort gibt das andere, Streitigkeiten sind vorprogrammiert.

Aus Sicht der Eltern ist die Zeit, in der ihre Sprösslinge in der Pubertät sind, nicht die allerschönste. Aus Sicht der Jugendlichen übrigens auch nicht. Für Psychologen und Hirnforscher jedoch sind die Besonderheiten dieser Altersphase ganz normal, denn die Pubertät gleicht einer Großbaustelle für Körper und Seele. Es kann turbulent zugehen – zumal auch das Gehirn maßgeblich betroffen ist.

Großbaustelle Frontalhirn

Physiologisch gesehen ist das Gehirn bereits mit zehn Jahren so gut wie ausgewachsen – aber nicht in allen Bereichen. Das Frontalhirn, das hinter der Stirn liegt und für vorausschauende Planung und Emotionskontrolle verantwortlich ist, bildet sich als letztes aus. Versuchen Sie also nicht, Ihrem halbwüchsigen Sprössling Vorhaltungen zu machen: Organisiert zu handeln, Wichtiges im Kopf zu behalten und überbordende Gefühle zu kontrollieren fällt in der Pubertät aufgrund des unreifen Frontalhirns einfach noch sehr schwer.

Dopaminschübe steigern die Risikofreude

Hinzu kommt, dass Teenager in besonderem Maß dem Botenstoff Dopamin ausgeliefert sind, der die Risikofreude erhöht. In der frühen Phase der Pubertät sind die Nervenzellen, die auf den Neurotransmitter Dopamin reagieren, offenbar dominanter und bestimmen über die anderen Hirnregionen. Die Auswirkungen sind bekannt: Pubertierende Jugendliche wollen etwas erleben, sind immer auf der Suche nach neuen Erfahrungenund machen sich über Risiken nur wenig Gedanken. Dazu gehört beispielsweise auch, dass sie eher aufgeschlossen für das Experimentieren mit Rauschmitteln sind.

Bei allem Verständnis ist es wichtig, dass Eltern nicht alles mit der Pubertät entschuldigen und jedes Verhalten durchgehen lassen, sondern klare Grenzen setzen. Dabei hat ihr eigenes Verhalten Vorbildcharakter, gerade auch im Umgang mit Alkohol. Eltern sollten Teenagern nicht erlauben, mit ihnen gemeinsam Alkohol zu trinken – in dem Glauben, die Jugendlichen würden so den selbstverantwortlichen und maßvollen Umgang damit lernen. Untersuchungen zeigen, dass diese Hoffnung trügt: Jugendliche konsumieren umso mehr Alkohol, je leichter er zugänglich ist. Statt sie in das Alkoholtrinken einzuführen, sollten Eltern ihren Kindern daher besser vormachen, dass man auch ohne Wein, Sekt oder Bier gesellig sein und feiern kann.

Geänderte Zeitrhythmen

Eine weitere typische Eigenschaft von Jugendlichen ist, dass sie gerne die Nacht zum Tag machen und am liebsten erst im Morgengrauen schlafen gehen. Auch das ist auf Umbauprozesse im Gehirn zurückzuführen. Weil sich die innere Uhr verändert, sind Teenager zu anderen Zeiten müde als Erwachsene, aber auch zu anderen Zeiten leistungsfähig. Untersuchungen zeigen, dass sich etwa ab dem 10. Lebensjahr der Zeitpunkt der Schlafmitte gegen Morgen zu verschieben beginnt. Pubertierende Jugendliche schlafen meist erst nach Mitternacht ein und sammeln daher über die Woche ein deutliches Schlafdefizit – das am Wochenende wieder ausgeglichen wird.  Der Takt der inneren Uhr ist mit Willensanstrengung kaum zu beeinflussen. Zwingt man Jugendliche dazu, früher ins Bett zu gehen, können die meisten nicht einschlafen. Um den Anforderungen der Schule gerecht zu werden, bleibt nur der Versuch, den Schlafrhythmus durch Sport und andere körperliche Aktivitäten tagsüber zu beeinflussen.Ist die Pubertät vorbei, beginnt sich das Schlafverhalten wieder von selbst zu normalisieren.

Abenteuer Liebe und Sex

Mit der verstärkten Bildung von Geschlechtshormonen erschließt sich Jugendlichen ein ganz neues, schwieriges Gebiet: Liebe und Sexualität. Aufgrund der körperlichen Veränderungen fühlen sie sich unsicher und verletzlich. Sie haben neue Gefühle, die schön sind, aber auch Angst machen und von Tag zu Tag unterschiedlich ausfallen. Der Grund für diese Stimmungsschwankungen – unter denen die Jugendlichen genauso wie ihre Eltern leiden – ist eine ungleich anlaufende Hormonproduktion: Entweder es befinden sich zu viele Hormone in Blut und Gehirn oder es sind zu wenige, so dass eine Art Hormonentzug herrscht.

Versuchen Sie am besten, die Gefühlsausbrüche und das Chaos im Leben Ihres heranwachsenden Kindes nicht persönlich zu nehmen. Zögern Sie aber auch nicht, Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn Ihnen die Situation über den Kopf wächst. Wenn Sie Fragen zu Suchtmitteln haben, kann die Sucht-Infoline der LZG eine erste Informationsquelle sein. Unter der Nummer 0800 5511600 (kostenfrei aus dem deutschen Festnetz) können Sie rund um die Uhr Erklärungen zu den Suchtmitteln Alkohol, Medikamente, Cannabis und Glücksspiel abhören und zudem über die Eingabe Ihrer Postleitzahl eine Beratungsstelle in der Nähe ermitteln.

© Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG)
Text: Dr. Beatrice Wagner, www.beatrice-wagner.de


 

Weiterführende Links

Ein trostspendender Artikel über die Probleme mit dem Lernen in der Pubertät

Über den Sinn der Pubertät aus der Sicht der Neurobiologie (kostenlose Registrierung nötig)

Interview mit Jesper Juul: Pubertät ist Pay-back-Zeit

Mehr zu den Vorgängen im Gehirn während der Pubertät

Erfahrungsberichte zum Thema Pubertät und Diabetes

 


 

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