Morgens, mittags oder abends? Medikamente zur richtigen Tageszeit einnehmen
Donnerstag,
1. Oktober 2020
bis Donnerstag,
15. Oktober 2020
Wie gut und zuverlässig ein Medikament wirkt, hängt nicht nur vom Wirkstoff ab, sondern auch von der korrekten Einnahme. Deshalb sollten sich Patientinnen und Patienten immer streng an die ärztlichen Vorgaben halten und im Zweifel in der Praxis oder in der Apotheke nachfragen. Wird nämlich ein Medikament nicht verordnungsgemäß eingenommen, kann sich die Wirkung nicht richtig entfalten oder es kommt zu unvorhersehbaren Nebenwirkungen. Wichtig für die Medikamenteneinnahme ist zum Beispiel die Tageszeit.
Die innere Uhr gibt den Rhythmus vor
Dass es nicht egal ist, zu welcher Tageszeit ein Medikament verabreicht wird, hängt mit unserer inneren Uhr zusammen. Sie regelt unter anderem, ob ein Mensch zu den Frühaufstehern gehört, die schon früh morgens aktiv sind, oder zu den Langschläfern, deren Körper erst später auf Trab kommt. Aber auch Vorgänge in unserem Körper, die wir gar nicht wahrnehmen, sind einem Rhythmus unterworfen.
Die innere Uhr, die den Organismus steuert, beeinflusst beispielsweise den Hormonhaushalt. Die Hormonproduktion verändert sich über den Tag – morgens werden andere Hormone gebildet als abends oder nachts. Zudem ist die Dichte der Rezeptoren an den Organen, über die Wirkstoffe oder Hormone aufgenommen werden, je nach Tages- oder Nachtzeit unterschiedlich. Entsprechend schwanken Prozesse, wie die Aufnahme, Verteilung und Ausscheidung von Stoffen im Tagesverlauf. Und auch Krankheiten haben ihr rhythmisches Eigenleben, das von der Tageszeit abhängt. So kommt es, dass man manche Medikamente besser morgens einnimmt, andere vorzugsweise abends. Der Einnahmezeitpunkt kann nämlich einen Einfluss darauf haben, wie gut und wie lange bestimmte Medikamente wirken. Erforscht werden diese Zusammenhänge von der Chrono-Pharmakologie.
Lunge und Bronchien reagieren nachts besonders sensibel
Auch die Lungenfunktionen unterliegen einer Tagesrhythmik. Dies wirkt sich zum Beispiel auf Menschen aus, die unter Asthma leiden. Bei ihnen kommt es anfallsartig zu verengten Bronchien, was vor allem das Ausatmen erschwert. Da die Empfindlichkeit der Schleimhäute gegen die krampfauslösenden Stoffe in den frühen Morgenstunden besonders groß ist, treten Asthmaanfälle überwiegend zwischen 3 und 6 Uhr früh auf. Der optimale Zeitpunkt für die Einnahme der vorbeugenden Mittel gegen Asthmaanfälle ist deshalb abends. Die Wirkstoffe können über Nacht aufgenommen werden und schützen so zum Zeitpunkt der größten Gefährdung. Dies gilt für fast alle Asthmamittel.
Cortison-Inhalationen können in der Asthmatherapie relativ unabhängig von der Tageszeit angewendet werden und sollten regelmäßig erfolgen. Lesen Sie aber auf jeden Fall die Herstellerempfehlungen auf dem Beipackzettel.
Medikamenteneinnahme am Abend beugt Gelenksteifigkeit am Morgen vor
Gelenkrheuma ist eine chronische Erkrankung, die ebenfalls tagesrhythmisch verläuft. Schubweise kommt es hierbei zu Entzündungen in den betroffenen Gelenken. Sie schmerzen und schwellen an, dabei wird Gelenksubstanz zerstört. Typisch für Gelenkrheuma ist die Morgensteifigkeit: Nach dem Aufstehen dauert es mindestens eine Stunde, bis man die Gelenke wieder gut bewegen kann. Will man dies beheben, ist die Medikamenteneinnahme nach dem Aufwachen wenig sinnvoll. Das Medikament würde seine Hauptwirkung erst dann entfalten, wenn die Beschwerden schon von alleine abklingen. Besser ist es, der Morgensteifigkeit von Gelenken vorzubeugen. Dazu sollten die sogenannten nichtsteoridalen Antirheumatika, wie Diclofenac oder Naproxen, abends eingenommen werden. So ist am nächsten Morgen eine ausreichend hohe Konzentration vorhanden, um die Symptome zu überwinden.
Langzeitmessung ermittelt idealen Einnahmezeitpunkt von Blutdrucksenkern
Auch der Bluthochdruck unterliegt Schwankungen im Tagesverlauf und sinkt in der Nacht meistens ab. Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck sollten ihre blutdrucksenkenden Tabletten morgens zu sich nehmen. Bei vielen Diabetikern und Menschen mit einer Nierenerkrankung hingegen sinkt der Blutdruck nachts nicht. Sie unterliegen einer erhöhten Gefahr, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Um das Risiko zu minimieren, sollten diese Menschen ihre Bluthochdrucktabletten abends einnehmen. Mit Hilfe eines Blutdruck-Tagesprofils kann bestimmt werden, welcher Bluthochdrucktyp man ist. Dabei wird mit einem tragbaren Messgerät der Blutdruck über 24 Stunden hinweg gemessen.
Andere chronosensible Medikationen
Cholesterin bildet unser Körper vor allem nachts. So liegt es nahe, cholesterinsenkende Mittel, die sogenannten Statine, abends einzunehmen, damit sie nachts wirken. Menschen, die mit Allergien kämpfen, haben wahrscheinlich schon erfahren, dass viele Medikamente müde machen – auch hier empfiehlt sich die Einnahme am Abend, um diese Form der Nebenwirkung unschädlich zu machen. Säureblocker gegen die Überproduktion von Magensäure wirken am besten nach der Mahlzeit oder vor dem Schlafengehen. Dadurch wird das Aufsteigen der Magensäure in die Speiseröhre, das durch das Liegen begünstigt wird, abgeschwächt.
Auch das Schmerzempfinden schwankt über den Tag
Für Zahnschmerzen gibt es eine typische Tageszeit: Zahnschmerz ist abends und nachts intensiver zu spüren als zu jeder anderen Stunde des Tages. Einen Zahnarzttermin sollten Sie also nicht auf die ganz frühe oder sehr späte Stunde legen, sondern ihn am besten um die Mittagszeit wahrnehmen. Dann schmerzt das Bohren nämlich am wenigsten. Wenn Sie zusätzlich auf die Wirkung einer lokalen Betäubungsspritze vertrauen wollen, ist das ein weiteres Argument für die Sprechstunde um die Mittagszeit: Dann nämlich entfaltet der betäubende Wirkstoff am intensivsten und am längsten seine Wirkung.
Unabhängig von den Erkenntnissen der Chrono-Pharmakologie ist immer der wichtigste Rat zur Medikamenteneinnahme der Ihrer Ärztin oder Ihres Arztes. Ehe Sie sich auf eigene Faust therapieren, fragen Sie nach – auch die Apotheken sind geeignete Ansprechpartner. Vielen Dank für Ihr Interesse und bleiben Sie gesund!
© Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG)
Text: Dr. Beatrice Wagner, www.beatrice-wagner.de
Redaktion: Birgit Kahl-Rüther, Mail: bkahl@lzg-rlp.de
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