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Vergiftungsunfälle bei Kindern vermeiden

Donnerstag, 1. Juni 2017 bis Donnerstag, 15. Juni 2017

Rund 200.000 Anrufe gehen jährlich bei den neun Giftinformationszentren in Deutschland ein. Circa die Hälfte davon betreffen Kinder. Vergiftungen und Verätzungen sind im Alter von sieben Monaten bis etwa vier Jahren zusammen mit dem Verschlucken von Gegenständen die häufigsten Unfallursachen, so das Bundesamt für Risikobewertung (BfR).

Typische Unfallsituation

Die typische Unfallsituation ist nicht, dass Kinder alleine zuhause spielen und Eltern ihre Aufsichtspflicht verletzen. Nein, im Gegenteil: Quasi unter den Augen der Erwachsenen oder während diese kurz abgelenkt sind, passieren die Unfälle. Etwa wenn die Erziehungsberechtigten eben schnell zur Haustür oder zum Telefon gehen. Oder wenn Eltern und Kind in einer fremden Umgebung sind und dort nicht alles so gesichert ist wie zuhause. Unterschätzt werden dabei die Neugier und der Unternehmensgeist des Kindes. Beachten Sie dabei: Das Erkundenwollen gehört zur Natur eines Kindes, es hat keinen Sinn, dies zu verbieten. Für Babys und jüngere Kinder müssen Sie daher alles aus dem Weg räumen. Bei Kindern ab zwei oder drei Jahren können Sie damit beginnen, die Regeln zu erklären, etwa in Bezug auf Sachen aus dem Putzschrank, bestimmte Pflanzen oder Medikamente, weil diese giftig sind und zu Schmerzen führen können. Natürlich entbindet Sie das nicht von Ihrer Pflicht, gefährliche Stoffe möglichst außer Reichweite zu bringen.

Putz- und Reinigungsmittel

Dies gilt zunächst für Putz- und Reinigungsmittel, denn damit passieren die häufigsten Unfälle. Die gefährlichsten unter ihnen sind zum Beispiel die folgenden: Abflussreiniger, Ammoniakzubereitungen, Backofen-/Grillreiniger, Entkalker, Essigessenz, Puder, Rohrreiniger und Steinreiniger. Aber auch folgende Mittel, die es in einem Haushalt oft gibt, sind sehr gefährlich: Abbeizer, Benzin, Chemikalien, Lampenöle, flüssige Grillanzünder, Methanol, methanolhaltige Brennstoffe für Heizkamine und beziehungsweise oder Brennstoffzellen, Schädlingsbekämpfungsmittel (z. B. Wühlmausgifte), Unkrautvernichter oder Kühlerfrostschutz oder Bremsflüssigkeit. Alle diese Mittel müssen Sie an einem sicheren Ort, der für Kinder nicht zugänglich ist, aufbewahren. Wichtig: Um Unfälle zu vermeiden, füllen Sie Reiniger und Chemikalien nicht in Getränkeflaschen ab – die Verwechselungsgefahr ist zu hoch! Wenn Sie einen Wasserkocher entkalken, markieren Sie ihn während des Entkalkens mit einem Zettel als Gedankenstütze. Lassen Sie das Mittel nicht über Nacht im Gerät stehen, damit Sie in der Hektik am nächsten Morgen nicht ein heißes Getränk mit Entkalkungsmittel zubereiten. Auf Lampenöle verzichten Sie im Kleinkinderhaushalt am besten komplett und verwenden Sie auch keine flüssigen Grillanzünder. Gewerbliche Produkte, die meistens besonders giftig sind, haben nichts im Haushalt mit Kindern verloren.
Tipp: Wenn doch ein Unfall mit Haushaltschemikalien passiert ist, geben Sie dem Kind sofort Tee, Wasser oder eventuell Saft in kleinen Mengen zum Trinken. Verabreichen Sie keine Milch, denn diese kann die Giftaufnahme im Darm beschleunigen und eine mögliche Vergiftung sogar verschlimmern. Lösen Sie kein Erbrechen aus, sonst wird die Speiseröhre ein zweites Mal angegriffen.

Medikamente

Eine weitere Gefahrenquelle bilden Medikamente und hier insbesondere Tabletten. Auch wenn Sie Ihre Medikamente sicher aufbewahren, seien Sie besonders wachsam, wenn Sie in eine andere Umgebung kommen. Denn ein Besuch bei den Großeltern beispielsweise kann das Kind animieren, das Pillendöschen zu untersuchen und die bunten vermeintlichen Bonbons darin zu probieren. Ein weiteres Risiko besteht in der Verwechslung von Medikamenten: Die Fluoridtablette zur Kariesproprophylaxe für das Kind und die Jodidtablette für den Erwachsenen haben eine ähnliche Größe. Auch leicht verwechselt werden das niedrig dosierte Fieberzäpfchen für das Kleinkind und das höher dosierte für das ältere Geschwisterkind. Es passiert auch, dass Sie aus Versehen statt dem kranken Kind dem gesunden Geschwisterkind das benötigte Medikament verabreichen. Solche Fehler geschehen meist in einem Moment der Überforderung. Am besten hilft es auch in solchen Situationen, wenn Sie tägliche Routinen einführen. Und falls Sie zu zweit sind, sollten Sie die Aufgaben eindeutig verteilen. Über alles, was gewohnheitsmäßig abläuft, muss man nicht mehr nachdenken, und so haben Sie den Kopf eher frei für besondere Situationen.
Tipp: Bei falscher Medikamenteneinnahme lassen Sie das Kind ausspucken und wischen ihm ohne Verzögerung den Mund aus. Geben Sie ihm sofort ein Glas Wasser, Tee oder Saft. Auch hier ist Vorsicht bei Milch geboten: Diese sollten Sie bei einer Vergiftung durch Medikamente nur notfalls geben.

Pflanzen

Auch Pflanzen stellen eine Gefahrenquelle dar. Schwere Vergiftungen kommen jedoch hierzulande selten vor. Wichtig ist es, dass Sie Pflanzen für das Zimmer, den Balkon oder Garten nicht nur nach Schönheit und Standortverträglichkeit aussuchen, sondern auch nach Giftigkeit. Fragen Sie nach dem Namen und recherchieren Sie selbst auch im Internet oder Pflanzenbuch. Im Wohnbereich ist die Dieffenbachia eine häufige giftige Grünpflanze, von den Stauden auf der Terrasse ist es die Engelstrompete, und im Garten der Eisenhut. Kennzeichnen Sie die Pflanzen mit Namen, so wissen Sie bei einem Unfall gleich Bescheid. Und vermeiden Sie vor allem diese drei Pflanzen, solange die Kinder klein sind.
Tipp: Sollte Ihr Kind giftige Pflanzenteile verzehrt haben, geben Sie ihm danach sofort ein Glas Tee, Wasser oder Saft zu trinken und spülen Sie die Berührungsstelle an der Haut ab.

Wo erhalten Sie Hilfe?

In jedem Fall ist es wichtig, in schwierigen Situationen Ruhe zu bewahren. Stellen Sie die aufgenommene Substanz plus Verpackung sicher und rufen Sie die Giftnotrufzentrale an. Für Rheinland-Pfalz und Hessen ist sie unter der Telefonnummer 06131 19240 erreichbar. Führen Sie eventuell notwendige Sofortmaßnahmen am Kind nach Anweisung durch. Bei Bewusstlosigkeit rufen Sie die Notfallnummer 112 an. Die Giftnotrufzentrale wird aufgrund der Informationen über den Patienten, die Substanz und den Unfallhergang eine Einschätzung der Vergiftung durchführen und weitere Maßnahmen empfehlen.
Vergiftungsunfälle müssen fachgerecht behandelt werden, je nach Art und Schwere. Auch bei einer Vergiftung mit leichtem Schweregrad sollten Sie mit Ihrem Kind vorsichtshalber die Kinderarzt- oder Hausarzt-Praxis aufsuchen. Generell hilfreich ist die App „Vergiftungsunfälle bei Kindern“ des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Inhaltlich basiert sie auf der Broschüre „Risiko – Vergiftungsunfälle bei Kindern“ des BfR. Links dazu finden Sie untenstehend.

© Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG)
Text: Dr. Beatrice Wagner, www.beatrice-wagner.de
Redaktion Marielle Becker


 

Weiterführende Links

Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) hat eine App entwickelt, um Vergiftungsunfälle bei Kindern schnell einordnen zu können. Zur Homepage des BfR

Broschüre „Risiko – Vergiftungsunfälle bei Kindern“ von 2017, die vom BfR in Zusammenarbeit mit dem Giftnotruf Berlin und der Bundesarbeitsgemeinschaft Mehr Sicherheit für Kinder e. V. (BAG) entstand. Zur Broschüre

Übersicht der Giftnotrufzentralen in Deutschland. Zur Homepage von Kindergesundheit-info.de und der BZgA

Wichtiges auf einen Blick: Infoblatt für Vergiftungsunfälle von Kindergesundheit-info.de (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)). Zum Download

Informationen zum Kindersicherheitstag auf den Seiten der  Bundesarbeitsgemeinschaft Mehr Sicherheit für Kinder e. V. (BAG). Zur Homepage

 


 

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