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Was hat die Corona-Pandemie mit Suchtprävention zu tun?

Die aktuellen Entwicklungen verändern unsere Lebenswelt. So bringen die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Corona-Virus Einschnitte und Einschränkungen auf allen Ebenen mit sich. Im privaten Bereich stellen sich folgende Fragen: Wie gehe ich persönlich mit den Entwicklungen um? Welche Risiken gehe ich weiterhin ein? Beruflich bedeutet das: Wie strukturiere ich meinen Arbeitsalltag um und wie geht es mir damit? Wie erreiche ich meine Dialoggruppen, wenn persönliche Termine schwierig werden?

Suchtprävention ist wichtig und richtig

Was hat Corona aber mit der tatsächlichen Arbeit in der Suchtprävention zu tun?
Seit einigen Jahren ist der risflecting®-Ansatz in die Suchtprävention in Rheinland-Pfalz integriert, was sich bewährt hat. Wenn die äußere Sicherheit ins Wanken gerät, ist es die innere Sicherheit, die hilft, die Balance zu halten. Das Bedürfnis nach Risikobalance wird nun sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf individueller Ebene deutlich. So erweist es sich als richtig und wichtig, dass die Suchtprävention nicht nur in der Krise als eine Begleitung betrachtet wird, die die innere Sicherheit festigt. Die Steigerung des Selbstwertes, der Selbstwirksamkeit und nicht zuletzt auch der Resilienz führen zu einer stabileren inneren Sicherheit, die dann ein gutes Gegengewicht zur äußeren Sicherheit darstellt.

Das heißt in einem ersten Punkt, Suchtprävention stellt eine wichtige Säule in der konstruktiven Lebensbewältigung dar und wird durch die Krise immer wichtiger.

Umgedacht werden muss in der Ausgestaltung unserer suchtpräventiven Arbeit. So können aktuell keine Schulen besucht und keine Gruppenangebote durchgeführt werden. Dort findet sonst Beziehungsarbeit statt. Hier gilt es kreativ zu werden. Wie können junge Menschen gut auf digitalem oder anderem Weg begleitet werden? Wie kann Kontakt hergestellt und gehalten werden?

Die Entschleunigung eröffnet durchaus Möglichkeiten, achtsamer auf sich selbst und seine psychische Gesundheit zu schauen. Auch hier können wir begleiten und Impulse geben. Nie zuvor wurde der Gesundheit so viel Aufmerksamkeit geschenkt.

Achtsame Zieldefinition

Viele Menschen stehen unter enormen Druck und haben nicht ausreichend Ventile, diesen Stress abzubauen. Freizeitbeschäftigungen, die ausgleichend wirken, sind plötzlich nicht mehr möglich. Wo soziale Distanz ist, da ist auch weniger soziale Kontrolle und keine soziale Unterstützung, die ebenfalls wichtige Faktoren der Suchtprävention sind. Daher finden sie leicht Gründe, zu Suchtmitteln zu greifen.

So ist es logische Konsequenz und doch geht es nicht selten unter: Das Verlangen nach Suchtmitteln steigt oder auch unproduktive Verhaltensweisen nehmen zu – unabhängig, ob eine Suchterkrankung bereits chronisch ist oder nicht.

Gerade jetzt ist es sinnvoll, die Wozu-Frage bezüglich des Konsums zu stellen. Wozu wird Alkohol allein zu Hause getrunken? Ist es, um mit dem gestiegenen Stress klarzukommen und dass nun alle rund um die Uhr zu Hause sind? Ist es, um der Langeweile aus dem Weg zu gehen, die gerade herrscht, weil die üblichen Hobbys weggefallen sind? Ist es, um den Frust und die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust „herunterzuspülen“? Der Alkohol steht hier stellvertretend für verschiedene Substanzen oder auch Verhaltensweisen.

Diese Fragen wird jeder Mensch individuell unterschiedlich beantworten: z. B. durch Ablenkung, Vergessen, Spaß, Runterkommen, Wachbleiben. Die Reflektion über den eigenen Konsum ist also weiterhin eine wichtige Methode der Suchtprävention, denn vieles geschieht, vor allem in dieser Zeit, unbewusst.

Entstigmatisierung

Daneben ist auch die Entstigmatisierung ein Ziel der Suchtprävention, dem aktuell deutlich mehr Gewicht zukommt. Gerade jetzt wird darauf hingewiesen, dass Suchtmittelkonsum, so auch das Rauchen, den schweren Verlauf von Krankheiten begünstigen kann. Das schürt Angst und Vorurteile. Natürlich ist es weiterhin wichtig deutlich zu machen, worin die Gefahren und Risiken des Suchtmittelkonsums liegen. Aber es gilt auch zu beachten, dass für einige Menschen schon „so wenig wie möglich“ einen großen Schritt darstellt oder vielleicht ein gleichbleibender Konsum ein Erfolg ist.

Risikobalance

Ein essentieller Punkt des eingangs erwähnten risflecting®-Ansatzes ist zudem die Unterscheidung von Risiko und Gefahr. Das Risiko öffnet einen breiten Entwicklungsraum: ein Herauslösen aus dem Alltäglichen, der sogenannten Komfortzone. Erst im Erleben und Reflektieren außeralltäglicher, durchaus riskanter Situationen kann ein Lernen stattfinden. In der Gefahr geht es um wirklich existentiell bedrohliche Situationen. Gerade durch die Medien und insbesondere jetzt werden diese Wörter häufig verwechselt. Daher sollte jede/r für sich überlegen, ob es sich bei bestimmten Situationen tatsächlich um Gefahren oder um Risiken handelt. Zurzeit sind wir dabei, das Risiko der Infizierung und damit auch der Erkrankung zu minimieren. Finden wir damit auch einen Weg, in Risikobalance zu kommen?

Letztendlich ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass wir gerade ein soziales Trauma erleben, und damit gilt es, sensibel umzugehen. Denn dort, wo bereits Traumatisierungen vorhanden sind, werden diese nun noch verstärkt, was eine erhöhte Gefahr der Suchtentwicklung zur Folge haben kann.

Die Aufgaben und Hürden, denen wir heute begegnen sind also nichts Neues oder Unbekanntes. Besinnen wir uns auf das, was Suchtprävention gut kann und erfolgreich macht - denn diese innere Sicherheit wird ein Gleichgewicht in diesen schweren Zeiten darstellen.

Autorin: Caroline Theis, Referat Suchtprävention

Kontakt: Nina Roth
Referatsleitung Suchtprävention
E-Mail

Weitere Informationen zum risflecting®-Studienweg finden Sie auf der Website der LZG-Akademie.

 

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